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AutorenbildConstantin Hauser

Gesünderes Fleisch durch Antioxidantien?

Constantin Hauser vom Journal Club Cellular Agriculture für CellAg Deutschland

CC BY Mosa Meat

Könnte eine zelleigene Produktion von Antioxidantien die Qualität von kultiviertem Fleisch weiter verbessern und vielleicht sogar zu gesünderem Fleisch führen?





Dieser Frage sind sind der Forscher Andrew J. Stout und seine Kolleg:innen von der Tufts University (Massachusetts, USA) in der vorliegenden Arbeit nachgegangen.

Worum geht es?

Oxidation ist ein natürlicher Prozess, der überall in unserer Umgebung stattfindet. Dabei tauschen Moleküle Elektronen aus, wodurch sich die jeweiligen Eigenschaften der Moleküle verändern können. Ein bekanntes Beispiel ist die Reaktion von Eisen mit Luftsauerstoff, bei der Rost (Eisenoxid) entsteht. Wo das Eisen vorher hart war und metallisch silbrig glänzte, ist das Eisenoxid nun spröde und besitzt eine rötliche Färbung.

Doch nicht nur Metalle können oxidieren, sondern auch Biomoleküle wie Proteine und Fette. Während manche Oxidationsreaktionen in Lebewesen gezielt ablaufen und gewünscht sind, laufen viele Oxidationsreaktionen in Lebewesen unkontrolliert und ungezielt ab. Die oxidierten Proteine und Fette können dabei ihre Funktion verlieren. Solange der betroffene Organismus lebt, kann er diese „oxidativen Schäden“ verhindern oder selbst reparieren. Eine Möglichkeit dazu liegt im Einsatz von Antioxidantien. Antioxidantien sind Substanzen, die sich in Oxidationsreaktionen „einmischen“ können und diese erheblich bremsen. Da sie dabei verbraucht werden, muss der Organismus ständig antioxidative Stoffe nachproduzieren oder mit der Nahrung aufnehmen.

In einem toten Organismus (z.B. einem Stück Fleisch) funktioniert das aber bald nicht mehr. Bei der Lagerung und der Zubereitung von Fleisch können sich daher größere Mengen oxidierter Fette ansammeln. Dadurch kann sich die Qualität des Fleisches verschlechtern, das Fett kann ranzig werden. Darüber hinaus stehen manche dieser oxidierten Fette im Verdacht, für das erhöhte Auftreten von Darmkrebs bei Menschen mit hohem Fleischkonsum mitverantwortlich zu sein. In dem Paper „Engineering carotenoid production in mammalian cells for nutritionally enhanced cell-cultured foods“ berichten Andrew J. Stout und sein Team über ihre Forschung zu der Frage, ob sich Muskelzellen von Rindern dazu bringen lassen, selbstständig große Mengen von Antioxidantien zu produzieren und ob dies zu einer weiteren Verbesserung der Qualität von kultiviertem Fleisch führt.

Warum ist das relevant?

Die zelleigene Produktion von großen Mengen Antioxidantien könnte die Oxidation von Fetten bei der Lagerung und Zubereitung des Fleisches deutlich verlangsamen. Dadurch würde das Fleisch bei der Lagerung über eine längere Zeit seine hohe Qualität behalten. Besonders interessant sind aber auch die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen: Falls oxidierte Fette wie vermutet mit einem erhöhten Krebsrisiko im Zusammenhang stehen, könnte kultiviertes Fleisch mit Antioxidantien in dieser Hinsicht gesünder sein als herkömmliches Fleisch.

Aber die Relevanz dieser Publikation reicht noch weiter: Mit den hier gezeigten Methoden könnten sich auch andere Stoffe als Antioxidantien im kultivierten Fleisch produzieren lassen und so dessen Eigenschaften erweitern. Die Zellen könnten zum Beispiel zusätzliche aromatische Verbindungen produzieren und so Fleisch mit einem besonderen Geschmack hervorbringen. Die Einführung von Vitaminen könnte zu Fleisch mit verbesserten Nährwerten führen. In diesem Sinne steht die Arbeit von Stout et. al. als Proof-of-principle für eine große Bandbreite an möglichen Anwendungen, die in der Zukunft erforscht werden können.

Was wurde getan?

Carotinoide sind effektive Antioxidantien, die in Pflanzen weit verbreitet sind. Beispielsweise enthalten die namensgebenden Karotten sowie Kürbis und Grünkohl hohe Mengen Carotinoide. Tiere wie das Hausrind können dagegen keine Carotinoide produzieren und nehmen sie ausschließlich über die Nahrung auf. Obwohl in ihrem Stoffwechsel Ausgangssubstanzen für die Produktion vorkommen, fehlen den Rinderzellen drei wichtige Enzyme, um die Synthese der Carotinoide zu vervollständigen (Phytoen-Synthase, Phytoen-Desaturase und Lycopen-Cyclase). Kernpunkt der vorliegenden Arbeit war es daher, die Rinderzellen mit diesen drei Enzymen auszustatten und so eine zelleigene Produktion dieser Antioxidantien zu ermöglichen.

Die Forscher*innen nutzten den genetischen Bauplan der Enzyme aus dem Bakterium Pantoea ananatis und fügten diesen in den Rinderzellen ein. Sie konnten im Anschluss zeigen, dass die Rinderzellen dadurch tatsächlich in der Lage waren Carotinoide zu produzieren. In einem anschließenden Optimierungs-Schritt konnte die Ausbeute deutlich gesteigert werden, sodass der Carotinoid-Gehalt des kultivierten Fleisches gegenüber herkömmlichem Rindfleisch um den Faktor 7 erhöht war. Im darauffolgenden Stress-Test wurden die Zellen über 8 Tage im Kühlschrank gelagert und anschließend bei 100°C für 10 Minuten erhitzt, um Lagerung und Zubereitung des Fleisches zu simulieren. Dann maßen die Forscher*innen die Menge an oxidierten Fetten (bzw. deren Abbauprodukten) im Fleisch. Das Ergebnis: Die Rinderzellen mit zelleigener Carotinoid-Produktion enthielten nach Lagerung und Zubereitung signifikant weniger der oxidierten Fette als die Kontrolle ohne zusätzliche Carotinoid-Produktion.

Was ist daran neu/interessant?

Kultiviertes Fleisch mit eigener Carotinoid-Produktion könnte gesünder sein und sich besser lagern lassen als herkömmliches Fleisch. Neben diesen direkten Vorteilen für das Produkt und die Konsument*innen, eröffnen die hier gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse aber vor allem viel Raum für weitere spannende Forschung.

Bisher war viel biotechnologische Produktion darauf ausgerichtet, mithilfe von Zellen verschiedene Produkte (z.B. Wirkstoffe für Medikamente) herzustellen. Das konnten Bakterien-, Pilz- oder Pflanzenzellen aber in den meisten Fällen einfacher und günstiger als Säugetierzellen, wodurch es bisher keinen überzeugenden Anwendungsfall für die zelleigene Produktion eigentlich artfremder Stoffe in Säugetierzellen gab. Mit dem Aufkommen der zellulären Landwirtschaft und insbesondere von kultiviertem Fleisch ändert sich das: Nun sind die Zellen selbst das Produkt und es könnte interessant werden, die Eigenschaften der Zellen/des Produktes durch die Einführung neuer Stoffwechselwege zu verändern. Die Arbeit von Stout et. al. zeigt, welch großes Potential in dieser Forschung steckt.

Quelle

Stout, Andrew J., Addison B. Mirliani, Erin L. Soule-Albridge, Julian M. Cohen, und David L. Kaplan. „Engineering Carotenoid Production in Mammalian Cells for Nutritionally Enhanced Cell-Cultured Foods“. Metabolic Engineering 62 (November 2020): 126–37. doi:10.1016/j.ymben.2020.07.011

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